Späte Besiedelung

In der Karolingerzeit war der Spessart ein königlicher Bannforst; also ein Wald, der der Jagd diente und der dem König vorbehalten war. Schon aus diesem Grunde gab es in den weiten Waldgebieten keine größeren Siedlungen. Diese beschränkten sich stattdessen auf die leichter zugänglichen, wirtschaftlich und klimatisch günstigeren Flusstäler. Der magere Buntsandsteinboden, der Mangel an Wasser und das rauhe Klima der Hochflächen wirkten von sich aus abschreckend und siedlungsfeindlich.

Erst die beginnende Christianisierung führte zu grundlegenden Veränderungen und der zunehmenden Besiedelung des Waldlandes. Zahlreiche Klöster und Stifte wurden errichtet, Adelsgeschlechter entstanden und ließen sich im und um den Spessart nieder.

Klöster als Keimzellen

Als Träger der kulturellen Entwicklung sind besonders die Klöster hervorzuheben, die auf religiösem, geistigen und wirtschaftlichem Gebiet eine staunenswerte Aufbauarbeit geleistet haben. Eine der ältesten Klostergründungen neben Amorbach und Seligenstadt ist die Benediktinerabtei Neustadt am Main, die bereits im Jahre 770 entstanden ist. Karl der Große stattete sie mit ausgedehnten Forstgebieten im Spessart aus und übertrug ihr unter anderem die Missionsarbeit im Gebiet. Der Aschaffenburger Raum wurde somit zu einem wichtigen Ausgangspunkt für die weitere Erschließung des Spessarts von Westen her.

Ähnlich günstige Voraussetzungen für eine allmähliche Kultivierung des inneren Spessarts boten weitere, am Main gelegene Orte wie Klingenberg, Miltenberg, Kreuzwertheim, Lohr und Gemünden. Im Sinntal waren es Rieneck und Burgsinn, wo neben den Grafen von Rieneck die Herren von Thüngen unablässig versuchten, größere Gebiete des Spessartinneren zu gewinnen. Lange Zeit allerdings ohne greifbare Erfolge wegen der insularen Lage ihrer Besitztümer zwischen den drei geistlichen Machtblöcken Mainz, Fulda und Würzburg. Im nördlichen Vorspessart gingen von den im Kinzigtal liegenden Orten, von denen Gelnhausen mit seiner um 1200 erbauten Kaiserpfalz eine besondere Rolle spielte, ebenfalls starke Impulse aus, die zu einer vermehrten Besiedlung führten.

Vielfach standen bei diesen Bemühungen jagdliche Interessen der in den Randgebieten ansässigen Adelsgeschlechter im Vordergrund. Sie errichteten zwischen dem 12. und 15. Jh. im inneren Spessart Wasserschlösser (u. a. Burgsinn, Sommerau, Mespelbrunn) und Jagdschlösser (u. a. Schöllkrippen, Wiesen, Rothenbuch, Bartelstein, Rohrbrunn).

Die Jagd hat im Spessart lange Tradition - hier eine Jagdgesellschaft aus Habichsthal (Aufnahme um 1915, Archiv Gottfried Anderlohr)

Info

Mainzer Herrschaft

Keine anderen Machthaber haben den Spessart und dessen wirtschaftliche Entwicklung so sehr geprägt wie die Mainzer Territorialherren mit dem Erzbistum 800 – 1450 und Kurfürstentum Mainz 1600-1800; insgesamt über 1000 Jahre lenkten und verwalteten sie hier. Erst ab dem 16. Jahrhundert zersplitterte die Region nach und nach in Grafschaften und Kleinterritorien.

Den Mainzer Kurfürsten ist auch der Waldreichtum des Spessarts zu verdanken. Diese nutzten die Wälder über Jahrhunderte als herrschaftliches Jagdgebiet. Für die jagdliche Nutzung förderten sie vor allem die Eiche, denn ihre Früchte waren willkommenes Wild-Futter. Die Bäume lieferten jedoch auch begehrtes Bau- und Feuerholz; ihre Rinde wurde zum Gerben verwendet. Mächtige Eichen wurden bis nach Holland verschifft und man sagt, dass die Fundamente der Stadt Venedig zum Teil auf Eichenstämmen aus dem Spessart stehen.

Die Kurfürsten reglementierten auch die forstliche und landwirtschaftliche Nutzung. So blieben die ursprünglichen Laubwälder zunächst vor großflächiger Abholzung und Besiedlung verschont. Lediglich für den Jagdbetrieb und zur Kontrolle der zahlreichen Gesetze und Verbote wurden Jagd- und Forstbedienstete mit ihren Familien im Spessart angesiedelt. Es entstanden so ab dem 11. Jahrhundert erste kleine Siedlungen.

Um Bediensteten zu gewinnen und zu halten wurde ihnen Land und Vieh zugewiesen sowie Holz-, Weide- und Fischereianrechten gewährt, sogenannte "Forst- und Bachhuben". Die Bediensteten, die oft Angehörige des kleinen Landadels waren, schufen sich zum Teil schlossartige Wohnsitze. Zum Schutz gegen Überfälle wurden diese befestigt und oftmals von Wassergräben umzogen (z. B. Oberaulenbach bei Eschau). Weitere Menschen siedelten sich nach und nach in früher typischen Streifendörfern an; deren charakteristische Form ist wegen vollzogener Flurbereinigungen nur noch an wenigen Beispielen erkennbar geblieben (u. a. Hessenthal, Mespelbrunn, Heimbuchenthal, Wintersbach).

Weitere Informationen: http://www.spessartprojekt.de/

Wissen

Von Wirtshäusern, Räubern und Wilderern…

Neben den wohlhabenden Menschen aus Kirche, Handel und Adel gab es jedoch auch solche, die nichts hatten. Sie wurden teilweise zu Räubern und Wilderern. Zahlreiche Geschichten tragen bis heute wesentlich zur Identitätsbildung der Spessartregion bei, auch wenn sie wenig mit der damaligen Realität zu tun haben.

Denn nicht Abenteuerlust und wilde Romantik, sondern Hunger und Not trieben so manchen Menschen aus dem Spessart zu Raub und Diebstahl. Vertreter des einfachen Volkes griffen zu Flinte oder Fallen und erlegten illegal das für die Obrigkeit reservierte Wild, um sich und ihre Familie zu ernähren.

Der berühmteste Wilderer des Spessarts ist Johann Adam Hasenstab. 1716 in Rothenbuch als Sohn eines Holzknechts geboren, verdingte er sich schon in jungen Jahren als Mainzer Jagdgehilfe; seinen kargen Lohn bessert er mit Wilddiebstahl auf. Als sein Nebenerwerb aufflog, verließ er den Dienst der Kurmainzer und tauchte unter. Als Wilderer lebte Hasenstab jahrelang im Spessart und Taubertal, wo er seine Jagdbeute auf Märkten oder sogar an Pfarrer verkaufte. Er gab sich u.a. als Heilkundiger aus und wechselte sehr oft seinen Aufenthaltsort. 1749 erklärte ihn der Mainzer Hofrat als vogelfrei und setzte ein Kopfgeld von 30 Reichstalern aus. Um 1750 wurde Hasenstab angeschossen, gefasst und verurteilt. Als Strafgefangener arbeitet er vermutlich bis 1757 am Festungsbau in Mainz. Danach kehrte er in den Spessart zurück, wo er vom Volk unterstützt die Wilderei wieder aufnahm. Um 1770 wurde er erneut gefangen genommen und auf Lebenszeit verbannt, tauchte jedoch zwei Jahre später wieder im Spessart auf. Am 3. Juni 1773 erschoss ihn Johann Sator, ein kurmainzischer Revierjäger im Kropfbachtal bei Schollbrunn; Sator erhielt dafür „15 Gulden Schuss- und Fanggeld“. An der Todesstelle steht heute ein Gedenkkreuz aus Sandstein mit den Initialen J A H St und der Jahreszahl 1773. Begraben wurde der „Erzwilddieb“ des Spessarts auf dem Friedhof in Breitenbrunn.

Dem Erzwilddieb Johann Adam Hasenstab hat der Naturpark einen Wanderweg gewidmet

Info
Information

Auf den Spuren von J.A. Hasenstab

Heinz Staudinger erzählt in seiner unterhaltsamen Biografie das Leben des berühmten Wilddiebs und beleuchtet historische Hintergründe. Das Buch ist beim Naturpark und im Buchhandel erhältlich.

Inschrift des Hasenstabkreuzes in Schollbrunn

Info

Bergbau, Glashütten und Eisenhämmer

Dank des Holz- und Wasserreichtums wurde der Spessart zunehmend für Gewerbe und Industrie interessant. Auch der Bergbau wurde ausgebaut, z.B. im Nordspessart bei Bieber, wo man u.a. Silber, Kupfer und Blei abbaute. Die Kurmainzer Landesherren lenkten die Besiedelung durch die Auswahl der Standorte.

Es entstanden zahlreiche Glashütten, die mit weiteren Ansiedlungen verbunden waren. Zu ihnen gehören Wiesthal, Weibersbrunn, Neuhütten, Heigenbrücken, Einsiedel und Heinrichsthal. Der Glashüttenbetrieb wurde jedoch im 18. Jh. wegen Unwirtschaftlichkeit aufgegeben. Zur Ausnutzung der Wasserkraft wurde im 17. Jh. eine Reihe von Eisenhämmern errichtet, so in Laufach, Waldaschaff, Lichtenau und Wintersbach. Auch diese wurden von der technischen Entwicklung überholt und mussten bald moderneren Anlagen weichen.

Die Wälder schwinden

Der steigende Bedarf jener Zeit an Holzkohle sowie Bau-, Brenn- und Grubenholz führte zu einer starken Übernutzung der Wälder. Zudem wurde immer mehr Vieh zu Weidezwecken in die Wälder getrieben und Laub als Einstreu für den Stall und Viehfutter gesammelt. In Folge dieses Raubbaus schwanden nicht nur die Holzvorräte in den Wäldern, auch die Böden laugten aus.

Zwar wurden bereits Anfang des 16. Jahrhunderts Forstordnungen zum Schutz des Waldes erlassen, doch erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann man, die Wälder nachhaltig zu bewirtschaften. Vielerorts wurde aufgeforstet, oft mit Eiche und Buche, auf den ausgelaugten Standorten im Nordspessart vor allem mit schnellwüchsigen Fichten und Kiefern. Am Charakter der Waldlandschaft lassen sich somit bis heute die Einflüsse früherer Territorialherren ablesen.